Mit diesem einprägsamen Wort bezeichnete der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann, der vor 150 Jahren geboren wurde, den Dekalog und die darin aufgeschriebenen „Zehn Gebote“. Entnommen ist der Gedanke seiner Novelle „Das Gesetz“ aus dem Jahr 1943. Inmitten der Gräuel des Krieges und mit fassungslosem Blick auf die unsäglichen Verbrechen der Nazi-Diktatur in „seinem Land“ fordert er uns alle auf, die Menschlichkeit zu leben und die Würde eines jeden Menschen zu achten. Grundlegend hierfür sind eben die „Zehn Gebote“, die eine Art Kompass für richtiges Leben sind und die Orientierungsmarken für ein gutes Zusammenwirken aufstellen: Denn nur wenn alle sich daran halten, „nicht zu töten, nicht zu stehlen, die Wahrheit zu sagen“, und anfangen, anderen zu „gönnen, ohne neidisch zu sein“, können wir gemeinsam in die Zukunft gehen. Vor 80 Jahren endete am 8.5.1945 für uns Deutsche der Zweite Weltkrieg. Schon früh wurde damals Vielen bewusst: „So etwas darf sich niemals wiederholen!“ Für uns Nachgeborene ist das ein bleibender Auftrag: „Nie wieder!“ Doch gerade dieser „neue kategorische Imperativ“, wie Theodor W. Adorno ihn nannte, wird gerade in unserer Zeit von vielen Seiten bedroht und infrage gestellt. Wir dürfen hier weder mitmachen, noch den Rattenfängern von links oder rechts folgen. Mitten unter uns, im täglichen Zusammenleben, muss das „ABC des Menschenbenehmens“ gelten und muss sich bewahrheiten, was es uns bleibend zu sagen hat. Thomas Mann spricht am Ende seiner Novelle „Das Gesetz“ einen „Fluch“ über alle aus, die die Menschlichkeit mit Füßen treten. Dieser ist vielleicht heute so aktuell wie schon lange nicht. Für biblische Ohren ist das Gegenteil von „Fluch“ der „Segen“. In den Tagen vor Pfingsten wünschen sich Christen den Segen von oben, die Kraft des Heiligen Geistes, der das „Angesicht der Erde erneuern“ will und uns dazu in Dienst nehmen möchte. Er wird dem „Frieden“ Raum schaffen, den wir uns während des Gottesdienstes in vielen Sprachen wünschten. Fangen wir damit an, diesen „Frieden“ zu leben. Dann verwirklicht sich das „ABC des Menschenbenehmens“ und hallt die österliche Botschaft, die vom Sieg des Lebens über alle Todesspuren spricht, weiter. So wird wahr, was wir bekennen: „Der Tod ist tot, das Leben lebt. Halleluja.“Das „ABC des Menschenbenehmens“ – Gedanken zum Ostergottesdienst
Andreas Völker, Schulseelsorger