5. Station: „Nicht mehr hand-eln können“ – angenagelt
Jesus wird am Ende seines Kreuzweges an das Holz angenagelt. Ihm, dessen Hände anderen halfen, der ihnen die Hand reichte, um ihnen Mut zu machen, zu ihrem Leben zu stehen und es zu wagen, ihm, der zärtlich die Angst von der Stirn seiner Mitmenschen streicheln wollte, ihm, der im Namen Gottes heilend handelte, werden roh und brutal die Hände durchbohrt und ans Kreuz geschlagen.
Ihm, der sich die Füße wund lief, um jedem Menschen nachzugehen, ihm, dem kein Weg zu weit war, um Verlorene zu finden und wieder heimzubringen, ihm, der nie scheute, auf andere zuzugehen, werden die Füße roh und brutal durchbohrt und ans Kreuz geschlagen.
Sein Leben hatte „Hand und Fuß“ für seine Mitmenschen und darin auch für Gott. Jetzt werden ihm Hände und Füße angenagelt. Jetzt kann er „nicht mehr handeln“, sondern nur noch ertragen.
Das Bild zeigt es:
- Da sind Hände, die gefesselt sind und nicht mehr handeln können…
- Da sind Hände, in denen sich Widerstand und Ergebung rühren, weil die eine Hand sich noch einmal auflehnt, die andere aber sich fügt…
- Da endet das Handeln und bleibt ein letztes Gebundensein…
Was damals in Jerusalem geschah, wiederholt sich heute…
- Menschen sind am Ende, weil nichts mehr zu gehen scheint…
- Menschen sehen keinen Ausweg mehr, weil sie festgefahren sind…
- Menschen sehen sich eingezwängt in den Zwiespalt von Widerstand und Ergebung…
Wo stehe ich auf diesem Bild?An welchem Punkt weiß ich nicht mehr weiter? Wo lehne ich mich auf? Wann muss ich mich ergeben?
Auf jeden Fall gilt für uns ein Wort von tiefer menschlicher Weisheit: „Wenn nichts mehr geht, dann geh!“ Der Schriftsteller Franz Kafka (1883-1924) ergänzt: „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht!“
Wenn das stimmt, dann kann auch dann noch etwas gehen, wenn eigentlich nichts mehr geht. Dann kann auch mitten im Gebundensein sich ein Ausweg eröffnen. Dann kann ich auch dort weiterwachsen, wo scheinbar alles zu Ende ist.
Jesus erleidet am Ende des Kreuzweges, dass er angenagelt wird. Seine Wege werden gewaltsam abgebrochen, seine Ziele buchstäblich durchkreuzt. Als traurige Wahrheit enthüllt sich über sein Leben: „Rien ne va plus – Nichts geht mehr!“ Doch für ihn ist das keine Sackgasse. Er sieht seinen Ausweg. Das Lukasevangelium (23,34) erzählt, dass er während des Annagelns bei der Kreuzigung gebetet habe: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ In diesem Ruf wird eine doppelte Lösung eröffnet: Zum einen das tiefe Vertrauen in Gott, der ihn auch in dieser schweren Stunde wie ein guter Vater und eine liebende Mutter umfängt. Und zum zweiten die Kraft der Vergebung. Seine Liebe reicht weiter als der Hass derer, die ihn quälen; seine Bereitschaft zur Vergebung geht tiefer als ihre Bereitschaft, ihn zu töten; seine Sorge für ihr Heil ist stärker als ihre Sorge für seinen Untergang.
Wenn nichts mehr geht – dann geh, denn mitten im Gehen wird sich der Weg auftun, der zum Ausweg wird. Dieses weglose Gehen war für Jesus sein bedingungsloses Vertrauen in Gott, den er liebevoll Vater nennt, und seine unbedingte Liebe zu den Menschen, die auch noch bereit ist, schwerstes Unrecht zu vergeben.
Das können auch für mich die Schritte sein, die aus abgebrochen Wegen Auswege zeigen.
Gebet:
Großer und unbegreiflicher Gott. Im Vertrauen auf dich hat Jesus selbst in der größten Not noch die Kraft gefunden, auch denen noch, die ihn quälten, zu vergeben. Öffne uns Wege, wenn scheinbar nichts mehr geht. Reiße uns heraus aus allem, was uns lähmt und festhält. Zeige dich als ein Gott, der selbst dann noch eine Lös-ung hat, wenn wir am Ende sind und nicht mehr weiterwissen. Er-löse uns von allem Bösen und schenke uns deinen Frieden. Amen.
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