Kreuzweg Station 6

6. Station: „Aus der Hand geben – in die Hand legen“ – sterben

Ein allerletzter Schritt steht noch aus: Der Übertritt vom Leben in den Tod, das Sterben Jesu. Nach langer furchtbarer Qual naht das Ende. Eine ungewöhnliche Finsternis sei damals nach dem Zeugnis der Evangelien bereits am hellen Mittag hereingebrochen und habe alles überschattet. Über das Naturphänomen hinaus wird hier symbolisch auf das Geschehen des Karfreitags angespielt. Spätestens jetzt, auf Golgota, zeigt es sich, wie es um eine Welt bestellt ist, die einen Menschen wie Jesus nicht aushält und ihn töten muss. Alles ist in tiefe Dunkelheit gehüllt. Und das geschieht von Anfang an:
Jesus wird zu Unrecht verurteilt und wie ein Verbrecher abgehandelt; seine Botschaft der Liebe wird in einer Welle aus Missgunst, Hass und Neid ertränkt; seine Zärtlichkeit wird mit Rohheit und Brutalität beantwortet; sein Leben wird grausam zu Tode gebracht. Kein Wunder, dass hier kein Licht mehr durchscheint und alles wie in tiefe Nacht getaucht zu sein scheint.
Und wieder ist es Jesus, der selbst noch sterbend hier widerspricht. Sein letztes Wort war nach der Darstellung des Lukasevangeliums (31,6) wieder ein Gebet. Im Rückgriff auf Psalm 31,6 habe Jesus laut gerufen: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist!“ Er, der im Sterben sein Leben aus der eigenen Hand geben muss, weiß für sich zugleich, dass er es im selben Schritt in die Hand eines anderen legt. Sein Sterben ist für ihn weit mehr als ein bloßes Hergeben des Lebens. Im Loslassen weiß er sich gehalten von Gott, den er wieder Vater nennt.

Das Bild zeigt es:

  • Da sind die Hände Jesu, die sein Leben aus der Hand geben…
  • Zugleich ist das Hergeben ein Hingeben und das Aus-der-Hand-geben ein In-die-Hand-legen…
  • Gottes Hände ergreifen zärtlich das Leben Jesu mitten im Sterben und reißen es heraus aus dem Tod und der Finsternis…

Was damals in Jerusalem geschah, wiederholt sich heute…

  • Menschen sterben getrost, im Vertrauen auf Gott…
  • Menschen werden getötet und wissen sich dennoch getragen…
  • Menschen spüren mitten in ihrem Tod, dass sie ihr Leben in die Hände Gottes legen und deshalb nicht für immer verloren gehen..
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Wo stehe ich auf diesem Bild? Wie berührt mich das Thema „Sterben müssen“? Beschäftigt mich mein eigener Tod? Trauere ich um liebe Verstorbene? Welche mir wichtigen Menschen haben ihr Leben bereits in die Hände Gottes gelegt?

Auf jeden Fall gilt für uns das Sterbewort Jesu, das seit Golgota unzähligen Menschen selbst im Sterben Kraft gab: „Vater, in deine Hände lege ich mein Leben!“ Der Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) hat sein Vertrauen auf Gott, der selbst noch im Tod den Menschen mit seinen liebenden Händen umgreift und auffängt, in den Worten ausgedrückt: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns, am Abend und am Morgen. Und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

Wenn das stimmt, dann brauche ich vor meinem Sterben keine letzte Angst mehr zu haben, weil der Tod erst das vorletzte Kapitel meines Lebens ist. In diesem Vertrauen kann ich auch das Leben all der Menschen, die mir im Tod vorausgegangen sind, trotz allem Schmerz über ihr Fehlen getrost in die Hände Gottes legen. Vielleicht öffnet sich so der Vorhang der Trauer ein Stück weit und gibt uns den Blick frei auf ein Leben bei Gott, das selbst der Tod nicht zu zerstören vermag.

Jesus stirbt den Tod, den alle Menschen sterben müssen. Ihm bleibt hier nichts erspart. Auch sein Lebensweg geht nicht einfach am Tod vorbei. Aber er geht durch den Tod hindurch in die erste-letzte Wirklichkeit, die wir Gott nennen und die er selbst noch im Sterben vertrauensvoll als Vater anrief.

Hierin kann auch uns ein Licht der Hoffnung und der Zuversicht aufgehen, das trösten kann und Mut macht, dass selbst der Tod nicht Endstation im Leben ist.‘

Gebet:

„Vater, in deine Hände lege ich mein Leben!“ Mit diesen Worten starb Jesus am Kreuz. In diesen Worten leuchtet uns sein tiefes Vertrauen auf dich auf und seine Hoffnung auf ein Leben bei dir, das weiterreicht als selbst der Tod. In dieser Zuversicht empfehlen wir dir unsere Verstorbenen. Wir wollen ihnen ein liebendes Andenken bewahren. Sei du ihnen Licht und Leben. Aus der Kraft dieses Glaubens bitten wir dich: Lass auch uns im Tod nicht fallen und wenn wir das Leben aus unserer Hand geben müssen, dann ergreife du es mit deinen Händen und vollende es in dir. Amen.

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